athene -
die pflichtgetreue tochter
erfolgreiche athene-frauen werden häufig von ihren vätern unterstützt oder haben ein besonders gutes und inniges verhältnis zu ihm. auf diese weise können sie ihre fähigkeiten mühelos entwickeln und ihre ehrgeizigen berufspläne ausführen. eine gefahr dabei ist, daß sie sich auf grund ihrer starken verbundenheit mit dem väterlichen prinzip zu sehr verpflichtet fühlen und ausschließlich den herrschenden gesellschaftlichen werten dienen, was zu einer starken psychologischen entfremdung führen kann.
athene - die rebellin
anders steht es mit der athene-frau, die einen schwachen vater hatte, der sie enttäuschte oder einen tyrannischen vater, gegen den sie rebellierte. diese töchter entwickeln ein gänzlich anderes verhältnis zum vaterprinzip.
wir finden sie in der frauenbewegung, unter lesbierinnen, bei den radikalen feministinnen. für sie ist die gesellschaftliche ordnung nicht das beschützende väterliche prinzip, sondern sie sehen darin die jahrtausende lange machtausübung patriarchaler tyrannei.
die wunde der athene
die mythologie erzählt, daß zeus metis verschlingt, als er erfährt, daß sie schwanger ist. metis ist eine titanin. ihr name bedeutet weisheit. so verkörpert metis das uralte matriarchale bewußtsein, das wissen um den endlosen mystischen kreislauf von geburt und tod, veränderung und wandlung. die göttin demeter ist die einzige göttin, die, ausgestattet mit diesem alten initiationswissen, überdauert hat. athene aber ist aus dem kopf von zeusgeboren. sie ist mutter-los.
psychologisch gesehen ist demeter-metis also die abgespaltene mutterfunktion in athene. diese fehlende funktion wird durch die geistige ernährung durch den vater ersetzt. durch einen vater aber, der sich in psychologischer hinsicht mit dem mutter-prinzip im krieg befindet. athenes wunde zählt somit zu der schwersten wunde, die den göttinnen im patriarchat angetan wurde. sie ist dazu verdammt, auf dem altar des gegensatzes zwischen seele und körper, geist und materie, kultur und natur gekreuzigt zu werden. in die welt des vaterintellekts hineingeboren, kreist ihre ganze energie endlos in ihrem kopf herum. ihr verstand wird von der vaterwelt mit bewunderung, förderung und hochachtung versorgt, doch ihr körper verfällt.
am weitesten hat sich athene von der warmen, natürlichen, körperlichen und mütterlichen fürsorge entfernt, der sie aber am stärksten bedarf. sie benötigt bedingungslose liebe und eine liebevolle aufmerksamkeit für die wesentlichen bedürfnisse ihres körpers. ist esathenes schicksal, sich mit dem vater identifizieren zu müssen, wenn sie ihr selbstgefühl in der welt etablieren will? je mehr sie dies tut, um so unweigerlicher wird sie seine leugnung des mutterprinzips in sich aufnehmen müssen und um so mehr an einer entfremdung von den eigenen mütterlichen gefühlen leiden.
athene - und der schild der medusa
die grauenerregende medusa mit ihrem schlangenhaupt und dem tödlichen blick zählt zu den vielen bildern der furchtbaren mutter, die in den mythen und religionen überall auf der ganzen welt vorkommen. diese gestalt trinkt gerne blut, schlägt leibern die gliedmaßen ab und verschlingt kinder. die furchtbare mutter ist der dunkle pol der mutter des lebens. gemeinsam bilden sie die allumfassende "große mutter", die tod und leben zugleich bedeutet.
die griechische religion hatte zur zeit der herrschaftathenes schon lange aufgehört, diesen dunklen aspekten eine machtposition einzuräumen. also wurden gestalten wie medusa, die furien und die gorgonen zu todfeindinnen der heroischen patriarchalischen religion erklärt.
in der mythologie hilft athene perseus, die medusa zu besiegen, indem sie ihm ihren schild leiht. der sage nach wird jeder sterbliche zu stein, der der medusa ins gesicht blickt. mit hilfe von athenes schild erblickt perseus das spiegelbild der medusa und kann sie so erschlagen, ohne zu versteinern. athene scheint einiges von medusasmacht zu assimilieren, denn nun trägt sie ihr furchterregendes antlitz auf dem schild.
psychologisch gesehen steht das athene-bewußtsein im konflikt mit einer noch tieferen schicht der matriarchalen psyche als das der demeter-metis. je mehr also die athene-frau gegen die tyrannei im außen kämpft, desto stärker manifestiert sich der archetyp des todes und der zerstörung in ihr. indem sich athene so stark, wenn auch oft unbewußt, mit der vaterwelt identifiziert, erbt sie nicht selten die patriarchalische angst vor der macht der dunklen mutter, statt sie als teil der eigenen psyche anzuerkennen.
etwas im innern von athene muss eine wandlung vollziehen. die starrheit des alles-oder nichts und des entweder-oder muss in eine fließendere haltung dessowohl-als-auch gewandelt werden, damit die in den oberen bereichen festsitzende energie nach unten fließen und sich mit den tieferen und dunkleren energien verbinden kann, die infolge der isolation von dem zyklischen fliessen nur noch destruktiv wirkt.
nur wenn athene ihre rüstung ablegt, kann sie die ungeheure spannung zwischen der rauhen, äußeren (männlichen) persona und dem so extrem verletzlichen, inneren (weiblichen) selbst aufheben. je mehr sie das verletzliche mädchen verbirgt, desto undurchdringlicher wird ihr schild.
der kern der athene-wunde liegt im herzen der atheneund genau dort zeigen viele abbildungen das haupt der medusa - auf den brustpanzer. wie ein verwundetes tier wird die verletzte athene-frau jeden vertreiben, der ihr beistehen könnte, weil sie kein mittel hat, ihre abwehrmechanismen aufzugeben, ihre rüstung abzulegen und den unendlich sensiblen kern ihres weiblichen wesens freizulegen.
sie erkennt nicht, daß ihre weichheit und verletzlichkeit in wirklichkeit der zugang zu den verlorenen bereichen ihres weiblichen wesens sind, zu denen sie den zugang verloren hat. tief im innern hat athene den kontakt zu den beiden göttinnen der liebe, der mütterlichen liebe derdemeter und der sinnlichen liebe der aphrodite, verloren. beide sind göttinnen, die im körper ruhen und die bei aller weichheit und verletzlichkeit bereit sind, sich in ihren beziehungen auf eine innige verbindung einzulassen und dabei auch schmerz und verlust riskieren.
epilog
der archetyp der göttin athene scheint am ende dieses jahrhunderts nicht nur für uns frauen, sondern für uns als gesellschaft von ganz besonderer bedeutung zu sein. der kampf der frauen um gleichberechtigung hat große fortschritte erzielt. weltweit fordern frauen ihre rechte ein, finden größere akzeptanz, stehen in der berufswelt "ihren mann", verdienen ihr eigenes geld und sind ganz allgemein unabhängiger geworden.
gleichzeitig tauchen immer mehr krankheiten auf. neurosen, allergien, hautkrankheiten, magersucht, bulimie, anorexie, drogen und alkohol sind an der tagesordnung.
hier zeigt sich die wunde der athene erbarmungslos. nach mehr als zweitausend jahren patriarchaler herrschaft reicht es nicht mehr aus, frauen quoten einzuräumen und sie am kampf um die macht teilhaben zu lassen. es ist höchste zeit, daß die gesamte gesellschaft von der erstarrtheit und absolutheit patriarchaler normen ablässt, zugunsten einer öffnung für die weicheren, fließenderen und ganzheitlicheren formen alter matriarchaler werte.
der athene-archetyp steht nicht nur für die verletzte frau, sondern auch für unsere verletzte und ausgebeutete erde und eine degenerierte und lieblose gesellschaft. es braucht frauen und männer, um diese kluft zu überbrücken und diese spaltung männlicher und weiblicher werte in männern und frauen zu heilen. wir brauchen eine welt, in der weibliches bewusst- "sein" dem männlichen geist ebenbürtig zur seite steht und in der das männliche sich verbeugt vor der weisheit des weiblichen.
gefunden bei http://www.lif-3000.de/26.htm
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